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Billigung einer Straftat – oder doch nur freie Meinungsäußerung?

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Das Billigen einer Straftat nach § 140 StGB setzt eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stellt. Das ist bei einer Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen der Bezugstat nicht der Fall.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem hier vorliegenden Fall die vorinstanzliche Verurteilung eines AfD-Mitglieds aufgehoben. Vom Amtsgericht Pforzheim und vom Landgericht Karlsruhe wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er im Sommer 2015 für kurze Zeit auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis einen von einem Nachrichtenmagazin auf deren Internetausgabe zurückgewiesenen Beitrag im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime mit folgender Passage eingestellt hat:
“Es einfach zu billig überall einen rechten Hintergrund zu vermuten, denn dann wäre die NPD längst in allen Parlamenten vertreten. Ist es nicht so, dass den Anwohner oder Bewohnern einer Kommune alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen und deshalb in Form von zivilen Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln? Dass dies im Osten häufiger passiert als im Westen ist auch klar: Die Ossis lassen sich nicht einfach mehr so hirnwasche wie die Wessis und sie akzeptieren diese Bevormundung durch Obrigkeiten nach der erfolgreichen Beseitigung des Unrechtsstaates DDR einfach nicht mehr tatenlos. Es verhält sich im Prinzip genauso wie mit den Atommüllendlagern im Westen – waren die Gegner auch Rechts?”
Nach Auffassung des Landgerichts Karlsruhe habe der Angeklagte mit seinem bewusst gewählten Vergleich zwischen dem “Abfackeln” von Flüchtlingsunterkünften im Osten und dem Widerstand der damaligen Atommüllendlagegegner im Westen, dem Begriff des zivilen Ungehorsams sowie mit seinem Unverständnis über die Ablehnung seines Beitrags durch das Nachrichtenmagazin willentlich den Eindruck erweckt, dass es zu den in Form zivilen Ungehorsams verübten Brandanschlägen keine Alternative gebe und er diese Taten gutheiße.

Dieser Ansicht ist das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung nicht gefolgt: Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat das Oberlandesgericht betont, dass § 140 StGB als Meinungsäußerungsdelikt wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) restriktiv auszulegen ist. Ein Billigen setzt danach eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stellt. Das ist bei einer Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen der Bezugstat nicht der Fall.

Die Betonung des kausalen Zusammenhangs zwischen angeblich bevormundendem staatlichem Handeln und Reaktionen aus der Bevölkerung in dem – vom Oberlandesgericht als polemisch und erkennbar nicht faktenbasiert bewerteten – Beitrag des Angeklagten hat indes nach der Auffassung des Oberlandesgerichts nach durchschnittlichem Verständnishorizont nicht ausschließbar einen nur beschreibenden Charakter, ohne dass damit eindeutig eine Rechtfertigung der Begehung von Brandanschlägen verbunden war.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 11. Mai 2017 – 2 Rv 9 Ss 177/17


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